Posts mit dem Label Schuld und Vergebung werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Schuld und Vergebung werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Sonntag, 3. November 2019

*Die Schuld jenes Sommers* von Katherine Webb, erschienen im Diana Verlag

*Werbung, unbezahlt*
Verlagsinfo

DEUTSCHE ERSTAUSGABE
Aus dem Englischen von Babette Schröder
Originaltitel: The Disappearance
Originalverlag: Orion
Hardcover mit Schutzumschlag, 464 Seiten, 13,5 x 21,5 cm
ISBN: 978-3-453-29208-6
Erschienen am  14. Oktober 2019

Inhalt/Klappentext:

Bath 1942: Im Chaos eines Bombenangriffs ist der kleine Davy plötzlich unauffindbar. Frances, die auf den Jungen aufpassen sollte, macht sich auf die Suche. Sie ist verzweifelt, denn schon einmal ist ein Kind verschwunden: Vierundzwanzig Jahre zuvor war ihre beste Freundin Wyn nach einem Streit nie wieder aufgetaucht. Ausgerechnet in dieser schicksalhaften Nacht fördert der Einschlag einer Bombe das Skelett eines Kindes zutage. Das tote Mädchen ist Wyn. Frances ist zutiefst erschüttert, und dunkle Erinnerungen aus der Vergangenheit werden lebendig. Was geschah in jenem Sommer vor über zwanzig Jahren? Wo ist Davy? Und hat er überlebt?

Die Autorin : Katherine Webb
Katherine Webb, geboren 1977, wuchs im ländlichen Hampshire auf und studierte Geschichte an der Durham University. Heute lebt sie in der Nähe von Bath, England. Nach dem großen internationalen Erfolgsdebüt »Das geheime Vermächtnis« folgten zahlreiche Romane wie »Das fremde Mädchen« oder »Italienische Nächte«, die die Autorin auch in Deutschland zu einer festen Größe auf der SPIEGEL-Bestsellerliste machten.


Meine Meinung: Katherine Webb hat mich bisher immer mit ihren Romanen  begeistert, in eine andere Welt versetzt und zwar auf Grund  ihres guten  und flüssigen Schreibstils, ihren tollen Ideen über unterschiedliche Inhalte und Zeiten, die sie prima für den Leser aufbereitet und recherchiert hat. Diesmal war es etwas anders für mich beim Lesen. Ich empfand den Roman, der auf zwei Zeitebenen spielt, etwas langweilig und viel zu langatmig verfasst. Es war kein echter historischer Roman, der zweite Weltkrieg wurde halbherzig beschrieben, zwar mit der Schilderung erschütternder Bombenangriffe der deutschen Wehrmacht auf die englische Zivilbevölkerung, politische Tatsachen wurden leider in keiner Weise erwähnt. Es war auch kein wirklicher Krimi, sondern eher das ausführliche Psychogramm einer traumatisierten jungen Frau (Frances) aus ihrer Umwelt, die den kleinen Davy in einer Bombennacht im Jahr 1942 verloren hat und sich daraufhin auf eine intensive Suche nach ihm begibt. Immer wieder quälen Frances dabei Erinnerungen an das mysteriöse Verschwinden ihrer achtjährigen Freundin Wyn vor vierundzwanzig Jahren. Gekoppelt mit der gefahrvollen und anstrengenden 12 tägigen Suche nach Davy bringen sie diese Gedanken und Erinnerungen an den Rand einer depressiven Verzweiflung. 


Im zweiten Erzählstrang versetzt uns die junge und talentierte Autorin in die Kindheit der achtjährigen Frances und Wyn. Die beiden unterschiedlichen Kinder befreunden sich eng miteinander, obwohl sie sich kaum ähneln vom Charakter und Aussehen. Frances ist sehr gross für ihr Alter, sehr schüchtern und leidet darunter. Die kleine Wyn ist ziemlich klein, keck und gar nicht zurückhaltend im Auftreten. Die beiden Kinder ergänzen sich , lieben sich innig, wobei sie auch noch aus unterschiedlichen Elternhäusern stammen. Frances Familie ist konservativ, bodenständig und fürsorglich. Bei Wyn läuft es etwas anders. Gewalt, Alkoholexzesse  und  psychische und körperliche Vernachlässigung in der Familie prägen ihren Alltag. 

Mehr möchte ich gar nicht verraten, sondern noch erwähnen, das auch viele andere Protagonisten sehr treffend und gefühlvoll beschrieben wurden - und trotzdem hat mich das Buch nicht völlig in seinen Bann ziehen können, wobei die Auflösung am Ende recht interessant war. 

Meine Bewertung: VIER **** Sterne für diesen Roman mit kleinen Schwächen!

Herzlichen Dank an die Autorin und den Diana Verlag für das schöne gebundene Rezensionsexemplar mit dem ansprechenden Cover! 

Montag, 2. September 2019

*Washington Black* von von Esi Edugyan, erschienen im Eichborn Verlag

EICHBORN
HARDCOVER
SONSTIGE BELLETRISTIK
512 SEITEN
ALTERSEMPFEHLUNG: AB 16 JAHREN
ISBN: 978-3-8479-0665-0
ERSTERSCHEINUNG: 30.08.2019

Info zum Buch und Verlag!
*Werbung, unbezahlt*

Die AUTORIN
ESI EDUGYAN lebt in Victoria, der Hauptstadt der kanadischen Provinz British Columbia. Washington Black ist ihr dritter Roman und wurde von Publikum und Kritik gefeiert. Er stand auf der Shortlist für den Man Booker Prize 2018 und wurde mit dem Giller Prize ausgezeichnet.

Inhalt/Klappentext: Die Flucht ist nur der Anfang

Barbados, 1830: Der schwarze Sklavenjunge Washington Black schuftet auf einer Zuckerrohr Plantage unter unmenschlichen Bedingungen. Bis er zum Leibdiener Christopher Wildes auserwählt wird, dem Bruder des brutalen Plantagenbesitzers. Christopher ist Erfinder, Entdecker, Naturwissenschaftler – und Gegner der Sklaverei. Das ungleiche Paar entkommt in einem selbst gebauten Luftschiff von der Plantage. Es beginnt eine abenteuerliche Flucht, die die beiden um die halbe Welt führen wird. Eine Geschichte von Selbstfindung und Verrat, von Liebe und Erlösung. Und eine Geschichte über die Frage: Was bedeutet Freiheit? 

Meine Meinung: 

Barbados im Jahre 1830 . Die Begebenheiten und Lebensumstände der Sklaven auf einer Zuckerrohr Plantage werden im ersten Teil des vierteiligen Buches drastisch und schonungslos dargestellt. Brutale körperliche und psychische Gewalt gegen die farbigen, abhängigen Sklaven sind an der Tagesordnung. Das Leben des Jungen *Washington Black* wird dennoch behütet von einer starken Frau mit dem Namen Big Kit, bis zu dem Augenblick, indem das Kind in das Herrenhaus geholt wird. Es geht ihm gut bei seinem Besitzer Christopher Wildes und er lernt sehr viel, sogar mit viel Mühe ein wenig Lesen und Schreiben. Doch sein grösstes Talent ist das Zeichnen und Darstellen des Lebens um ihn herum. Christopher, (Titch) genannt, erkennt das und fördert dieses Talent des Jungen. Er mag ihn und ist gegen die Sklaverei seiner Zeit. Dieser erste Teil des Buches hat mich unglaublich gefesselt und wenn ich oben vom *Besitzer* geschrieben habe, krampft sich beim Lesen dieses Begriffes immer wieder mein Herz zusammen vor Entsetzen. Die Autorin hat Washington Black als Ich-Erzähler sein Leben von klein auf erzählen lassen mit beeindruckenden Kopfbildern, die sich durch ihren packenden und bunten Schreibstil entwickelt haben. 


Der Ich-Erzähler *Washington Black* erstaunte mich allerdings öfter durch seinen immerwährenden Gleichmut und seine Sichtweise der Dinge, die manchmal etwas monoton erschien und sich oft wiederholte. Die Glaubwürdigkeit des Erzählstil zu Beginn der Geschichte wird längst nicht durchgehalten bis zum Ende des Buches. Merkwürdig fand ich, dass er nie richtig lesen und schreiben gelernt hat, sich aber aber dennoch schriftlich und mündlich mit vielen Wissenschaftlern ausgetauscht haben soll. Dieser Roman erschien mir manchmal wie ein erfundenes, fiktives Märchenleben und ich konnte zu vielen wichtigen Protagonisten keine wirkliche Lesebeziehung aufbauen, da ich nicht viel aus deren Vergangenheit und von ihren Charakteren erfuhr. 


Die anderen Teile des Buches führen den Leser und die Hauptprotagonisten in die Arktis, Nova Scotia und bis nach England. Betroffen hat mich die immer zu Tage tretende, durchscheinende psychische Abhängigkeit  von *Wash* zu seinem *Herrn* Titch. Doch Titch verlässt ihn irgendwann, schenkt ihm seine angebliche Freiheit, was allerdings nicht stimmt! *Wash* leidet durch diesen Verlust der emotionalen Liebe und Geborgenheit seines Herrn und Freundes. Er wird durch die Welt gejagt von einem Sklavenfänger. Ein jahrelanger Alptraum für ihn beginnt. Als entlaufener Farbiger ist er gebrandmarkt für sein Leben, untrüglich gekennzeichnet durch eine schreckliche Verstümmelung des Gesichts durch einen tragischen Unfall auf Barbados in seiner Kindheit durch den *Wolkenkutter*, einem erfundenem Fluggerät von Christopher Wildes, welches sich noch in der Erprobung befand.


Nach dem Ende der Kindheit und jahrelanger einsamer Odyssee durch die Welt als Jugendlicher erfährt er trotzdem  als erwachsener junger Mann die Liebe und Zuneigung zu einer Frau. Durch die damals übliche Rassentrenuung wird die Beziehung leider eher zu einer Geheimhaltungsangelegenheit. Die Frau Tanna Goff und deren Vater, ein Meeresbiologe, knüpfen eine intensive Beziehung zu ihm und Washington Black hat die Idee zum Bau eines Ozean Museums. Doch was ist aus Titch geworden? Ist er tatsächlich in der Arktis ums Leben gekommen wie sein Vater? Und was waren die  Beweggründe von Christopher Wildes sich so intensiv um ein junges 11jähriges Sklavenkind zu kümmern - um ihn dann als Jugendlichen anschliessend rücksichtslos zu verlassen?

Die Beantwortung dieser vielen offenen Fragen müsst ihr Euch selber erlesen.... 

Meine Bewertung: VIER **** STERNE für dieses ungewöhnliche und interessante Buch!

Herzlichen Dank an die Autorin und den Bastei Lübbe Verlag für die Zusendung des Rezensionsexemplares ! 


Donnerstag, 15. August 2019

*Tage in Cape May* von Chip Cheek, erschienen im Blessing Verlag

*Werbung*

Info zum Buch und Verlag

Der Autor: Chip Cheek, geboren 1976, hat bereits in Literaturzeitschriften Kurzgeschichten veröffentlicht, u.a. in The Southern Review, Harvard Review und Washington Square, und erhielt renommierte Schriftstellerstipendien. Tage in Cape May ist sein erster Roman. Chip Cheek lebt in der Nähe von Los Angeles.

INHALT/Klappentext: September 1957: Henry und Effie fahren für die Flitterwochen nach Cape May, ein Ferienort an der Ostküste. Doch das Städtchen ist verlassen, die Saison ist zu Ende. Die beiden jungen Leute aus Georgia fühlen sich fremd, isoliert und in ihrer Schüchternheit gefangen. Gerade als sie beschließen, den Urlaub zu verkürzen, treffen sie zufällig auf Clara, eine Ferienbekanntschaft Effies aus Kindertagen, die eine glamouröse Gruppe von New Yorkern um sich versammelt. Darunter Max, ein reicher Playboy und ihr Liebhaber, und dessen unnahbare und rätselhafte Schwester Alma. Der verlassene Ort wird zu ihrem Spielplatz, und während sie in leer stehende Ferienhäuser einsteigen, Segeln gehen, nackt unter dem Sternenhimmel herumwandern, sich lieben und sich betrinken, geraten Henry und Effie in eine Situation, die den Rest ihres Lebens prägen wird. Ein hypnotisierender Roman, der im Spiegel von Sexualität und gesellschaftlicher Realität der Fünfzigerjahre aktuelle und zeitlose Fragen zu Ehe, Liebe und Loyalität behandelt.


MEINE MEINUNG: 

Mein erster Gedanke nach Beendigung dieses interessanten Romanes über die Gesellschaftsstrukturen aus den 50er Jahren in den USA über zwei junge Menschen, die der Leser in ihren Flitterwochen begleiten darf , war ein altes Sprichwort: 

"Müssiggang ist aller Laster Anfang"

Laster entwickeln sich manchmal  langsam und schleichend. So zu erlesen auch  in diesem Roman über die soziale Entwicklung eines jungen, schüchternen  Ehepaars aus dem ländlichen Georgia.  Alkohol, Abenteuerlust und für sie neuartige Sexerlebnisse mit anderen Partnern haben die beiden naiven jungen Leute völlig aus ihrem normalen Empfinden und Partnerschaft in eine kritische Lebensphase geworfen. Aber was bedeutet schon der Ausdruck *Normal* ? Spass haben, Chillen und sexuelle Freizügigkeit sind Begriffe, welche der damaligen Generation noch nicht so geläufig waren wie den heutigen jungen Menschen.

Der Schreibstil des Autors liest sich durchaus interessant und anregend. Er hat in seinem Roman starke Charaktere geformt, die in ihrer Darstellung während der damaligen Zeit auf jeden Fall als besonders exzentrisch und schillernd auftraten. Das Gruppenverhalten dieser jungen Leute aus New York wurde von ihm  bestechend ehrlich analysiert , sowie auch die üblichen Gesellschaftsstrukturen der damaligen Zeit mit ihrer Prüderie gegenüber Körperlichkeit und ihrer allgemeinen Verlogenheit und Verschleierung von Wahrheit und Realität. Über all diese Widerstände haben sich die jungen Menschen im Gruppenverhalten hinweggesetzt und sich eigene Lebensregeln erstellt.

Der Roman hat mich gut unterhalten, eine Lektüre für Strand und Urlaub, in die man mit Leichtigkeit immer wieder schnell einchecken konnte. Das Ende der Geschichte im Roman war allerdings eine für mich zu kurze Zusammenfassung von anschliessenden vierzig Ehejahren. Das empfand ich als zu abrupt, unpassend und langweilig beschrieben. 

Meine Bewertung: DREI *** Sterne für dieses gute Buch!

Herzlichen Dank an den Autor und den Verlag für das gebundene Rezensionsexemplar!

 

Montag, 25. März 2019

*Annas Rückkehr*von Rose Philipps, erschienen im Bookspot Verlag

Buchdetails
Aktuelle Ausgabe
ISBN:
9783956691164
Sprache:
Deutsch
Ausgabe:
Buch
Umfang:
392 Seiten
Verlag:
Bookspot Verlag
Erscheinungsdatum:
28.02.2019
*Werbung*
Info zum Buch und der Autorin


REZENSION

Klappentext/Inhalt/Verlagsquelle:

Berlin, 1935. Elli genießt als Frau eines hohen NS-Funktionärs ein privilegiertes Luxusleben. Durch Zufall lernt sie Grete kennen, die mit ihrem Mann und den beiden Kindern in einer ärmlichen Hinterhofwohnung lebt. Damals ahnen die Frauen noch nicht, dass das Schicksal ihre Leben eng miteinander verknüpft hat.

Als Gretes behinderte Kinder unter der Führung von Ellis Ehemann in das Visier des NS-Regimes geraten, steht die Frau, die sich nichts sehnlicher als Nachwuchs wünscht, vor einer schweren Entscheidung. Soll sie ihre Nähe zum Regime nutzen, ihren Mann verraten und damit sich selbst in Gefahr bringen? Schnell ist das Fadenkreuz der Behörden auf sie gerichtet und ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt…

Meine Meinung: 

Entsetzt, erschüttert und bewegt habe ich die Geschichte von Annas Rückkehr auf über 330 Seiten verfolgt. Denn es ist eher eine Reise in ein dunkles Stück deutscher Geschichte gewesen. Es geht um das Euthanasie-Programm des nationalsozialistischen Regimes im sogenannten dritten Reich. Die kaltblütige Vernichtung von Kindern, Menschen, die an einer geistigen oder körperlichen Behinderung litten. DIESE MENSCHLICHE -GRAUSAMKEIT und Verfehlung tritt dem Leser in jeder Seite deutlich vor Augen. 
Die Autorin nimmt uns in verschiedene Zeitstränge mit und berichtet auch über Tagebucheintragunen der Protagonisten. Ihr Schreibstil ist einfach, gut zu verstehen und doch hat mich dieses Buch nicht als  fiktiver Roman gefesselt, sondern eher als ein Tatsachenbericht über eine unentwegte Abfolge von Schilderungen unserer deutschen Vergangenheit. 

Die Verbindung von häuslicher Gewalt, Dummheit und Brutalität gegenüber sich selber , aber hauptsächlich gegen Frau und Kind , ausgeführt von einfachen Menschen ihrer Zeit und Sprache, war recht beeindruckend und sehr an der Basis des einfachen Lebens der damaligen Zeit  angesiedelt, verbunden mit der schlimmen Verblendung durch die Politik! Zusätzlich hat sie die Protagonisten im Bayrischen und/oder Berliner Dialekt sprechend dargestellt, was mir überhaupt nicht zugesagt hat. Dieser Schreibstil, natürlich eine persönliche Beurteilung von mir,  spricht aber sicher viele Leser*innen gut an.  
Ein Kritikpunkt  für mich ist das schnell herbei gezauberte Ende dieses fiktiven Romans, welches ich als geschmacklos und als  sehr einfach konstruiert empfand, wie einen grossen Teil der ganzen Geschichte.

In diesem Roman wurden so viele Tatsachen aus der NS-ZEIT angerissen, die noch ganz vielen Büchern Stoff bieten würden.  Vielleicht hat die junge Autorin ja auch vor, sich weiter mit diesen brisanten Themen zu beschäftigen!

Meine Bewertung für dieses Buch: DREI *** gute Sterne. Lesenswert!  

Sonntag, 7. Oktober 2018

*Neu Jahr* von Juli Zeh, erschienen im Luchterhand Verlag

*Werbung*

Juli Zeh, 1974 in Bonn geboren, Jurastudium in Passau und Leipzig, Studium des Europa- und Völkerrechts, Promotion. Längere Aufenthalte in New York und Krakau.

Schon ihr Debütroman „Adler und Engel” (2001) wurde zu einem Welterfolg, inzwischen sind ihre Romane in 35 Sprachen übersetzt.

Juli Zeh wurde für ihr Werk vielfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Rauriser Literaturpreis (2002), dem Hölderlin-Förderpreis (2003), dem Ernst-Toller-Preis (2003), dem Carl-Amery-Literaturpreis (2009), dem Thomas-Mann-Preis (2013), dem Hildegard-von-Bingen-Preis (2015) sowie dem Literaturpreis der Stahlstiftung Eisenhüttenstadt (2017).


Rezension

Klappentext/Inhalt/Auszug:

Lanzarote, am Neujahrsmorgen: Henning sitzt auf dem Fahrrad und will den Steilaufstieg nach Femés bezwingen. Seine Ausrüstung ist miserabel, das Rad zu schwer, Proviant nicht vorhanden. Während er gegen Wind und Steigung kämpft, lässt er seine Lebenssituation Revue passsieren. Eigentlich ist alles in bester Ordnung. Er hat zwei gesunde Kinder und einen passablen Job. Mit seiner Frau Theresa praktiziert er ein modernes, aufgeklärtes Familienmodell, bei dem sich die Eheleute in gleichem Maße um die Familie kümmern. Aber Henning geht es schlecht. Er lebt in einem Zustand permanenter Überforderung. Familienernährer, Ehemann, Vater – in keiner Rolle findet er sich wieder.

MEINE MEINUNG: Vorsicht SPOILER.

Mein erster Lese-Eindruck erstaunte mich sehr. Wie gut und mit so viel Einfühlungsvermögen hatte Juli Zeh als junge, emanzipierte Frau, Mutter und Schriftstellerin das Porträt eines jungen Familienvaters unserer heutigen Zeit erstellt! Henning kümmert sich vorbildlich um seine kleine Familie, hat die typische Rolle eines Familienvater der früheren Generationen abgelegt.  ER hat seine Arbeitszeit reduziert , hilft seiner jungen, hübschen Frau. ER richtet sich voll nach den Wünschen seiner eigenwilligen Kinder, hat eine tolle Beziehung zu ihnen  und und fühlt sich dennoch - UNGLÜCKLICH.  Zweiundneunzig Seiten verfolge ich gebannt seinen Radausflug auf Lanzarote, erkenne ES , habe Mitleid mit ihm und seinen Panikattacken (ES), die ihn aus heiterem Himmel anfallen und versuche seine plötzlich aufkeimende WUT auf alles, sein Leben, seine Frau und Kinder zu verstehen. Die WUT gesellt sich zu ES als gleichwertiger Partner, die ihn, Henning,  vernichten will.  Die Autorin hat all diese Emotionen des jungen Mannes meisterhaft  und verständlich zum Leser transportiert. Man spürt förmlich seine körperliche Anstrengung, seine Muskelkrämpfe, seinen Durst und Hunger und seine Verzweiflung. Er ist ohne Essen aufgebrochen, aber sein echtes  Leid sind seine inneren Ängste, die ihn überrollen wollen. Meine Spannung steigt in dem Maß, wie die Serpentinen, die Hennig dem Bergdorf Femés auf dem Berg entgegenführen. Der Schreibstil vermittelt mir ein typisches Juli Zeh-Gefühl.

 Doch dann passiert es - ich werde von der Autorin gezwungen die Leseperspektive zu tauschen, tauche in eine neue Geschichte ein und zwar in die Empfindungen eines kleinen Jungen und seiner Schwester.  Juli Zeh verführt mich atemlos und voller Schreckenserkentnisse in einen fesselnden  Psychothriller, den diese kleinen Wesen erdulden müssen. Die Erkenntnis kommt schlagartig. Ich begegne Henning und seiner jüngeren Schwester in ihrer Kindheit, allein gelassen, auf sich gestellt. Sie kämpfen um ihre elementarsten Bedürfnisse und auf Henning, als dem Älteren Kind, liegt eine schwere Verantwortung. Diesen kleinen, unschuldigen Kindern hat die Autorin geschickt und mit viel Wissen um die kindliche Psyche, viele Eigenschaften zugeordnet. Hassgefühle, Aggressionen auf die kleine Schwester wechseln mit unbändiger Zärtlichkeit und Liebe in Hennings Persönlichkeit einen ständigen Kampf miteinander. Er verzweifelt an seiner Unfähigkeit für sie beide sorgen zu können, wie er es von den Eltern gesehen hat. Ich leide, weine und kämpfe mit diesen kleinen Geschwistern. Ich bin geschockt, aber das allerschlimmste für mich folgt noch am Ende des Buches. Meine eigene Erkenntnis, dass nichts wieder gut zu machen ist, oder dass diese seelischen Verletzungen vollständig zu heilen sind.

Juli Zeh verwehrt dem Leser jede Hoffnung auf  ein Vergeben der schuldigen Eltern - und das zurecht. Diese schlimme Verletzung und Traumatisierung der Kinder um Leib und Leben in jungen Jahren hat sie für ein Leben lang unbewusst und  furchtbar gezeichnet. Sie werden keine Ruhe finden und Ängste in jeder Form werden sie immer wieder heimsuchen. Und doch beginnt nach dieser Erkenntnis für Henning und seine kleine Schwester ein NEUES JAHR im wahren Sinne des Wortes - ein Neubeginn!

Ein trauriges Buch, aber es ist eine beeindruckende, schriftstellerische Leistung der Autorin. 
Sie hat zwischen den beiden Geschichten in einem Buch einen verbindenden Bogen zum besseren Verständnis des Protagonisten verknüpft und den Leser zu einem eigenständigen Beurteilen des Geschehens geführt. 

MEINE BEWERTUNG: VIER **** STERNE für eine traurige Geschichte, die mich sehr deprimiert hat.  

Trotzdem Danke Juli Zeh für dieses Buch! Mein Dank gilt auch dem Luchterhand Verlag für die Zusendung des Rezensionsexemplar.