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304 Seiten
ISBN 978-3-948631-33-8
Erschienen am 15.6.23
INHALT/KLAPPENTEXT: Während eines Klassentreffens holen Erinnerungen die fast 80-jährige Dora ein, an ihr 17-jähriges Ich, das wagte, dem eigenen Begehren nachzugehen: den von Rockmusik begeisterten Musiklehrer zum Tanz aufzufordern und mit ihm gesellschaftliche Tabus zu durchbrechen.
Befreiung und Emanzipation
Anfang der 1960er Jahre: sexuelle Tabus, veraltete Frauenbilder, patriarchale Strukturen. Für die Erniedrigung, die sie jeden Tag erlebt, will sich die 17-jährige Dora rächen. Ihr Opfer ist der Musiklehrer, ihre Waffe ist ihre Weiblichkeit. Mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln möchte sie ihn verführen.
Dora balanciert auf dem schmalen Grat zwischen aufgeklärter Gegenwart und beengter Vergangenheit. Die ihr zugeschriebene Rolle als ältere Tochter, Schülerin, junge Frau beherrscht sie zwar perfekt, dennoch kann sie sich nicht mit den dazugehörigen Grenzen abfinden.
Der Verführer von Doras Mutter war Adolf Hitler. Als Vertriebene aus Niederschlesien hängt sie ihrer Heimat und dem NS-Regime nach. Die Erzählungen der Mutter und die Folgen des Zweiten Weltkriegs prägen Doras Leben. Sechzig Jahre später schaut die Ich-Erzählerin auf ihre Jugend im Oberharz zurück, ordnet kritisch ein und verknüpft ihre Erinnerungen mit der Gegenwart.
Elfi Conrad, geboren 1944, wuchs im Harz auf, studierte Musik und Deutsch in Hamburg und lebt jetzt in Karlsruhe. Mit Leib und Seele lehrte sie dort an Schulen und an der Pädgagoischen Hochschule. Daneben vertiefte sie sich in die Fächer Kognitionswissenschaft und Semiotik, in denen sie promovierte. Sie veröffentlichte bisher Gedächtnis und Wissensrepräsentation (Olms-Verlag) und mehrere Romane unter ihrem Pseudonym Phil Mira.
NDR Buch des Monats Juni
Mein Leseeindruck: Dieser autobiografisch angelegte Roman, erzählt in der ICH - Form, hat mich wegen seiner tabulosen Ehrlichkeit über eine komplizierte Thematik sehr beeindruckt. Es geht um Liebe, Sex, Körpergefühl, Feminismus, Selbstverwirklichung - die Befreiung der Frauen von hemmenden gesellschaftlichen Zuständen und Zwängen der 50er und 60er Jahre.
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Die junge 17jährige Dora wurde geprägt von der bedingungslosen Liebe zur Mutter, der kleinen 13 Jahre jüngeren Schwester und der ersten grossen Beziehung zu ihrem Musiklehrer Costa. Ebenso aber auch von der körperlichen und psychischen Gewalt des Vaters in der Familie, der ein absolutes Patriarchat vorlebte und verkörperte. Das Spiel von Cello und Flöte hat sie geliebt und innig in ihrer Zuneigung zu dem Lehrer und seiner Rockmusik ausgelebt. Das alles war in der damaligen Zeit etwas sehr Besonderes, denn die Gesellschaft verharrte noch im spießigen und vermufften Denken, unsinnigen Regeln in Bezug auf Frauen, ihrem freien Denken und Handeln sowie den beruflichen Möglichkeiten, wie es den männlichen Zeitgenossen zugestanden wurde.
Die Autorin schreibt in einem ansprechenden Schreibstil über die Gedanken und Handlungen der siebzehnjährigen Protagonistin Dora , sowie im Rückblick aus der Sicht der fast 80jährigen Dora auf ihr gelebtes bisheriges Frauendasein in der damaligen BRD. Sie bewertet als ältere Frau sich, ihr damaliges Verhalten kritisch und natürlich aus der Sichtweise einer Lebenserfahrung, die sie als junges Mädchen noch nicht besessen hat. Die junge Dora wollte sich dem allgemein anerkanntem Frauenbild dieser Zeit nicht unterordnen. Kinder, Kirche, Küche. Sie hat zu Recht - rebelliert. Aus den Zeilen konnte man herauslesen, dass sie sich im Laufe ihres Lebens auch von dem übermächtigen Einfluss der kranken und dominanten Mutter gelöst hat. Diese Frau wuchs in der Nazizeit auf, war beim Bund der deutschen Mädels und hat dieses Gedankengut in die Familie hineingeschleust, sei es bewusst oder unabsichtlich. So erging es sicher leider vielen Familien!
Die Autorin hat in kurzen Sätzen immer wieder politische Weltereignisse und Vergleiche zu heutigen gängigen und allgemeinen Sichtweisen unserer Gesellschaft in ihre Erzählung eingebunden, was mich persönlich etwas ermüdet und genervt hat. Für die jüngere Generation sind diese Hinweise bestimmt wichtig und sehr informativ, denn so wurde das Zeit- und Lebensgefühl von damals bunt und lebendig zum besseren Verstehen in den Hintergrund des Romans gestellt.
Sehr gefallen haben mir poetische Passagen, die immer wieder lose eingestreut wurden, wie zum Beispiel auf Seite 155 !
Zitat Seite 155: "Plötzlich der See vor uns. Gläsern. Ein Schimmern.Weißgeränderte Wolken und tiefgrüne Fichten, die sich spiegelnd einfraßen in dunkles Blau. Leichter Wind, der das Gras auffächerte. Bordüren aus weißen Federn. Vogelrufe zwischen Zweigen. Sirren von Insekten. Unser Blick nach oben bis in die Wipfel, die in lichtes Blau vorstießen. Julisonne, die durch Bäume brach. Heiße Luftschichten um uns, sich festsaugend an unserer Haut."
Insgesamt hat mich das Buch berührt und an eigene positive und negative Erlebnisse aus meiner Kindheit in den 60er Jahren erinnert.
Meine Bewertung: Vier **** Sterne für diese interessante Sichtweise eines Frauenleben!
Herzlichen Dank an die Autorin und Verlag für die Zusendung des gebundenen Rezensionsexemplar!
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