Rezension
INHALT und KLAPPENTEXT:
Die besonnene Julia und die draufgängerische Cassie wachsen zusammen in einer Kleinstadt in Massachusetts auf und sind unzertrennlich. Doch eines Sommers zerbricht ihre Freundschaft schleichend, aber für immer. Was ist passiert? Claire Messud erzählt davon, warum der Verlust der ersten großen Freundschaft uns so sehr prägt, und stellt zugleich die großen Fragen: Wie gut können wir einander jemals kennen? Wie wahr sind die Geschichten, mit denen wir uns unser Leben und unsere Beziehungen zu erklären versuchen?
MEINE MEINUNG: Gebannt habe ich den Verlauf des Romanes und die Entwicklung der Freundschaft von Julia und Cassie verfolgt. Beide Kinder, sie sind zu Beginn des Buches zwölf Jahre alt, wachsen unzertrennlich und liebevoll zueinander, fast wie Zwillinge, auf. Sie erkunden zusammen geheimnisvolle Welten wie verfallene Häuser, alte Steinbrüche, bauen sich eine eigene Fantasiewelt dort auf und schirmen ihre Welt gegenüber den Erwachsenen ab. Sie sind beste Freundinnen der Welt und glauben es für immer zu bleiben. Und doch zeigen sich dem Leser zu Beginn schon immer wieder kleine Zweifel an dieser Aussage, die Claire Messud geschickt und unterschwellig vermittelt. Man hofft von Herzen, dass es anders ausgehen möge, weiss aber ahnungsvoll um die Aussichtslosigkeit dieses Wunsches. Die Freundinnen spüren auch diese bestimmte leise Angst, die immer stärker wird und sich in den Vordergrund ihrer Gedanken drängt. Es ist die Angst vor dem Erwachsenwerden, das Aufkeimen von Zweifeln an der Freundin und ihrer Zuneigung, die immer näher kommende, unbekannte und bedrohlich erscheinende Erwachsenenwelt. Die Zukunft scheint nebulös und drohend vor ihnen zu liegen. Sie verstehen plötzlich die Welt, sich selber und die Freundin nicht mehr!
Die Autorin lässt Julia diese Geschichte im Rückblick aus ihrer Perspektive erzählen. Beide Mädchen stammen aus Elternhäusern, die recht unterschiedlich sind. Cassie wächst vaterlos mit einer Mutter auf , die das kleine Mädchen zwar über alles liebt, aber recht verloren, einfach und rätselhaft in ihrer Charakter-Beschreibung durch die Autorin wirkt. Julia dagegen bekommt alles! Zuwendung, Liebe und Bildung aus ihrem Elternhaus. Sie entwickelt sich weiter, entdeckt das Theaterspiel für sich und der Kontakt zu Cassie's Welt, der plötzlich nur noch aus Musik, Party und ersten Jungenbekanntschaften besteht, wird immer schwächer.
Und doch halten beide Mädchen krampfhaft am Mythos der grossen Freundschaft fest, obwohl sie das Auseinanderdriften deutlich spüren.
Diese Entwicklung versucht die Autorin mit ihrem sanften und einfühlendem Schreibstil dem Leser nahe zu bringen. Es gelingt ihr fast perfekt, durch Andeutungen, Gedankensplittern, aber eben nur aus Julies Sicht der Dinge als fast erwachsene junge Frau. Der Leser beobachtet Cassie aus der Ferne, zieht daraus Schlüsse für sich, aber immer nur fundierend aus Julies Gedankenwelt. Auch der Titel passt in meinen Augen gut zum Roman, er erschreckt zwar beim ersten Wahrnehmen, aber er trifft zu.
Eine brennende , klaffende innere Wunde trennt die ehemaligen Freundinnen auf immer und jeder von uns hat vielleicht schon einmal den Schmerz einer verlorenen Freundschaft empfunden und kann diese Aussage nachfühlen.
Genau das vermittelt Claire Messud einfühlsam, machmal zwar etwas langatmig im Schreibstil und fast unlustig in traurigen Szenarien.
Das ist kein vergnügtes und amüsantes Buch, eher etwas nachdenklich machend, aber absolut lesenswert.
Meine Bewertung: VIER **** Sterne für diesen grossartigen Roman über den Verlust der Kindheit mit einer absoluten Liebe zum Mitmenschen, mit teilweise fesselnden Einblicken in das Abhandenkommen dieser Fähigkeit.
Herzlichen Dank an die Autorin und den Verlag für das gebundene Rezensionsexemplar.
Danke für die wieder mal sehr gut gelungene Buchvorstellung, liebe Angela. Das weckt Erinnerungen :-)
AntwortenLöschenLiebe Grüße, Anne
Ja Anne, ich hoffe Deine Erinnerungen sind nicht zu negativ für Dich. Ich war ziemlich betroffen von der Thematik...Danke für Dein Lob !
LöschenHallo Angela
AntwortenLöschenEs ist bestimmt nicht leicht zu erkennen, dass eine Freundschaft nicht mehr so innig ist. Es gibt nicht viele Freundschaften, die Jahrzehnte überdauern. Ich lese gerade "Die Unvollkommenheit der Liebe" was auch ziemlich nachdenklich daher kommt.
Liebe Grüße,
Gisela
Hallo Gisela, nichts kann manchmal schwieriger sein, als soziale Beziehungen zu pflegen. Das sieht man ja an Deiner aktuellen Lektüre. Gerade zwischen engen Familienmitgliedern wie in einer Mutter-Tochter-Beziehung kann es ganz schön kompliziert werden im Lauf des Lebens...
LöschenGLG Angela